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Gemeinsam Geschichte(n) schreiben

Norbert (78) und Matthias (51) verbindet eine kreative Freundschaft, an der jeder persönlich wachsen kann. Gemeinsam arbeiten sie seit 2018 an Texte und Lyrikerzählungen: „Der Austausch klappte auch in der Zeit der Besuchsrestriktionen und Kontaktbeschränkungen glänzend. Es ist eben ein großer Vorzug, wenn die Begegnungen zwischen jüngeren Freiwilligen und Alten Freunden in erster Linie produktiv geprägt sind.“

Die Teamgeister

In einem Selbstportrait charakterisieren Matthias und Norbert Ihre Freundschaft:

Matthias ist 51 Jahre alt und sehr an Diskussionen auf den Gebieten Literatur, Politik, Geschichte und Philosophie interessiert. Norbert ist 78 Jahre alt, war als Hochschullehrer tätig und hat im „Ruhestand“ verschiedenen Teams und Personen wissenschaftlich beratend unterstützt. In jüngster Zeit verschrieb er sich stärker der Lyrik und Aphoristik. Insbesondere auch in diesem Zusammenhang suchte und sucht er nach Partnerschaften für geistigen Austausch und modern-technische Unterstützung.

Inzwischen entwickelte sich ein ausgesprochen intensiver, sinnvoller und ergiebiger Austausch zwischen beiden, der seinen Niederschlag im Buch von Norbert Grohs „Unterwegs zu Schatzinseln. Poesie und Philosophie“ und noch stärker in seinem neuen Band „Dichtend gedacht und um die Ecke gelacht“ gefunden hat. Beide Bände sind im trafo Literaturverlag, Tel. 030/61299418, mail: info@trafoberlin.de erhältlich.

Ein Schwerpunkt war dabei das Bestreben, möglichst viele Arten und Facetten des Humors zum Ausdruck zu bringen. Aber Vorsätze sind das eine. Man braucht vor allem viele Einfälle. Zu den Einfällen von Matthias in entsprechenden Diskussionen gehörte auch die Erzählidee von einem uralten Jubilar, der auf komische Fragen eines Bestatters kurios reagiert. Das wurde beiderseits als tragfähig empfunden für eine heitere lyrische Geschichte, die Norbert dann zu Papier brachte und auf der Geburtstagsfeier von Matthias zusammen mit weiteren Gedichten vortrug. Gleichzeitig trug der Jubilar auch ein eigenes Gedicht vor, das Norbert überarbeitet hatte. Der Erfolg hat beide wiederum stimuliert.

Als Menschen unterschiedlichen Alters mit ganz verschiedenen Biografien nehmen sie nun schon seit 2018 eine Kooperation wahr, an der jeder persönlich wachsen kann. Der Austausch klappte auch in der Zeit der Besuchsrestriktionen und Kontaktbeschränkungen glänzend. Es ist eben ein großer Vorzug, wenn die Begegnungen zwischen jüngeren Freiwilligen und Alten Freunden in erster Linie produktiv geprägt sind.

Nach Erich Fromm will der produktive Charakter „lieber neu schaffen als bewahren. Er vermag zu staunen und erlebt lieber etwas Neues, als dass er in der Bestätigung des Altgewohnten Sicherheit sucht“. Dies muss keineswegs unbedingt wissenschaftliche oder künstlerische bzw. literarische Kreativität bedeuten. Auch in den einfachsten Handlungen und Unternehmungen stecken Vollzugsmöglichkeiten für innere Lebendigkeit und Bezogensein auf Natur und Mitmenschen. Wobei produktives Verhalten und Tätigsein immer aus eigenem Antrieb kommen müssen. In solchen Arten gemeinschaftlichen Zusammenwirkens können auch ältere Menschen die Erfahrung von Hermann Hesse nachvollziehen, wie sich – wenn es die gesundheitlichen Kräfte und Potenzen hoffentlich zulassen – „mit jedem Jahr das unendliche Netz von Beziehungen und Verflechtungen vergrößert und vervielfältigt und wie, solange ein Gedächtnis wach ist, doch von all dem Vergänglichen und Vergangenen nichts verloren geht“.

Traditionell galt übrigens zumeist die Dichtung in Gestalt von Ausdrucks- und Stimmungslyrik als ein Gebiet, das auf Gemeinschaftsarbeit tunlichst verzichten sollte. Die Sache stallt sich aber völlig anders dar, wenn es darum geht, in kritischer Weise dem Leser kommunikative Angebote für den Umgang mit gesellschaftlichen Haltungen und Normen zu unterbreiten. Freilich teilt der Dichtende auch hierbei sich selbst mit. Aber es ist sinnvoll, wenn er auf diesem Weg viele Einfälle, Anregungen und kritische Hinweise anderer auf Grund von Direktbegegnungen integrieren kann. Umgekehrt spürt auch der Mitarbeitende, dass im produktiven Tätigsein die Kräfte und Gaben wachsen und sich mehren, sofern sie geteilt und gebraucht werden.

Norbert hat bereits 60 Gedichte für das folgende Buch erarbeitet. Jetzt beginnt schon wieder der Austausch zwischen ihm und Matthias über die neuen Gedichte und den gesamten dritten Band. Denn auch Letzteres gehört nach Erich Fromm zum produktiven Charakter: „Er sieht das Ganze und nicht nur seine Teile, er sieht Strukturen und nicht Summierungen.“

Und wenn die produktive Orientierung hier und da einmal zu Überforderungen führt? Dann versuchen sie, daraus Lehren zu ziehen und sich im Übrigen an Immanuel Kant zu halten: „Kein Mensch ist so wichtig, wie er sich nimmt.

Norbert Grohs hat sein Buch „Unterwegs zu Schatzinseln. Poesie und Philosophie“ in zwei Lesungen beim Verein Freunde alter Menschen vorgestellt.

Mit der Lyrikerzählung „Es klärt sich alles auf“ PDF gewann er im Sommer 2020 den Schreibwettbewerb Gemeinsam Geschichte(n) schreiben am Treffpunkt Kreuzberg.